Großveranstaltung in Pandemiezeiten
„Der Hermannslauf ist ein regelmäßig am letzten Aprilsonntag eines Jahres stattfindender Volkslauf und führt über 31,1 Kilometer vom Hermannsdenkmal bei Detmold zur Bielefelder Sparrenburg. Mittlerweile nehmen über 7.000 Läufer, Walker und Wanderer teil, womit der Hermannslauf zu den größeren Laufveranstaltungen in Deutschland gehört.“ (Wiki) Dies dürfte der regelmäßige Leser*in dieses Blogs bereits wissen aus den Jahren 2019 und 2018.
Doch wo sind die 7000 anderen Teilnehmer? Stecken sie noch in der Einbahnstraße?
Viel mehr Mitläufer können es nicht sein – ich bin 2 Tage vor dem offiziellen Termin der abgesagten Großveranstaltung unterwegs. Wetterbedingungen ideal: sonnig, nur etwas Wind. Temperaturen starten bei 10 und gehen bis 19 Grad. Die Vorbereitungen waren wechselhaft.
8 Trainingsläufe in der Gruppe, bis diese ab Mitte März nicht mehr möglich waren. Weiter mit 5 individuellen Einheiten.
Doch jetzt geht es endlich los auf der seit 2016 bekannten Strecke. Manches hat sich deutlich verändert: Die Buchdrucker und die Holzvollernter haben umfangreiche Arbeit geleistet und ganze Waldabschnitte ‚entbäumt‘. (Kann man das so sagen?) Da, wo früher eine einsame Wanderhütte im dunklen Wald war, herrscht jetzt Ödnis.
Zwischendurch aber immer wieder der Rausch in Hellgrün: Ende April ist das frische Buchenlaub des Teutoburger Waldes eine Farbtherapie für die Augen und die Seele! Welch wunderbares Erlebnis!
Begegnungen unterwegs
An einem Freitag zu Zeiten reduzierter Kontakte ist wenig los im Wald. Doch auf dem Sennerandweg kommt mir ein Jogger entgegen. Er bewegt sich leichtfüßig, fast gazellenartig mit großer Leichtigkeit über den Waldboden. Ein freundlicher gegenseitiger Gruß, und schon ist er vorbei geflogen. Das muss, das kann nur Elias Sansar, der zwölfmaliger Gewinner des Hermannslaufes gewesen sein! Und wenn er es nicht war, dann war es eine Erscheinung! Denn solch einen lockeren Bewegungsablauf habe ich noch nie gesehen!
Einige Kilometer weiter ein gegenteiliger Eindruck: Plötzlich erscheint auf der Strecke eine große, düster wirkende Gestalt mit einem riesigen weißen Mundschutz.
Ist es der Coronavirus persönlich, der da auf mich zuschreitet? 🦠 😳
Durch die etwas verschmierte Brille versuche ich zu fixieren. Beim Näherkommen entpuppt sich die vermeintliche Bedrohung als ein großer Wanderer, der eine schwarze Seemannsmütze, Sonnenbrille und dunkle Kleidung trägt sowie einen weißen Vollbart. Letzterer bedeckt den Mund und von weitem gesehen auch die Nase; Corona-Mund-Naseschutz! Auf was für Assoziationen und Wahrnehmungen man in diesen Zeiten so kommen kann!
Am Ziel
Nach 32 km ist dann endlich die Tour mit einer Runde um die Sparrenburg in Bielefeld beendet. Erschöpft, aber gut angekommen! Doch: Wo ist ein Friseur? Und: Hat der Kiosk auf? … Er hat! Und es gibt sogar ein Weizenbier, allerdings abgefüllt in einen Pappbecher, so dass das Ganze aussieht wie eine Portion Eischnee. Und Trinken bitte in mindestens 50 m Entfernung.
Das Getränk mundet und erfrischt trotzdem – und es bleibt die Vorfreude auf das Wunschessen zu Hause.
Freitags Fisch – bevorzugt mit jahreszeitlichem Spargel und lauwarmem badischen Kartoffelsalat. Begleitet von Grauburgunder.
Ein paar Zahlen
Nachtrag am 27. 04. 2020
Elias Sansar hat seinen Hermann am Samstag, 25. 04. 2020 als Pendellauf Denkmal – Tönsberg – Denkmal durchgeführt: 32 km, Zeit 2:01; nach eigener Aussage in mäßigem Tempo. I: Beifall und Respekt! :I Am Sonntag, 26. 04. 2020 zeigte er in seiner Instagram-Story zur Musik von Enya den Startplatz des Laufes:
M e n s c h e n l e e r !
Dort, wo sich sonst zu diesem Zeitpunkt 7000 Läufer drängeln eine eigenartige Leere und Stille.
„Who can say, where the road goes, where the day flows, only time.“
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