Die documenta fifteen scheint in diesem Sommer eine ziemlich andere zu werden als ihre Vorgängerinnen.
„Die documenta ist die weltweit bedeutendste Reihe von Ausstellungen für zeitgenössische Kunst. Sie findet alle fünf Jahre statt (ursprünglich alle vier Jahre) und dauert jeweils 100 Tage; sie wird daher auch als Museum der 100 Tage bezeichnet. Die erste documenta wurde 1955 veranstaltet und ging auf die Initiative von Arnold Bode zurück. Standort der Documenta ist Kassel.“ Sagt Wiki.
Auf Grund der Tatsache, dass mit der Gestaltung dieser Ausstellung erstmals ein partnerschaftliches Kollektiv (!) aus Indonesion (!) (das zum damaligen Zeitpunkt in der aktuellen westlichen Kunstszene nahezu unbekannt war) beauftragt worden war, wird ein Paradigmenwechsel erwartet vom Chefkurator früherer Jahre, der in großen Umfang den Kunsthändlermarkt bediente zu einer kollegialen Arbeitsgruppe, die den Starkult um den Kurator ablehnt. Stattdessen soll ein offenes Kultur- und Kunstverständnis breitgefächerter Inklusion statt Exklusion gelten mit Hilfe der auf dem Prinzip der gegenseitigen Hilfe beruhenden lumbung-Idee.
lumbung, direkt übersetzt ‚Reisscheune‘, bezeichnet einen in den ländlichen Gebieten Indonesiens gemeinschaftlich genutzten Bau, in welchem die Ernte einer Gemeinde als gemeinsame Ressource für die Zukunft zusammengetragen, gelagert und nach gemeinsam bestimmten Kriterien verteilt wird.
Zeichnerische Darstellung in einem Projektentwurf für 2022:
Mir drängen sich Ähnlichkeiten auf: Gemeinwohl, Kooperation und Gemeinwesen sind hier zentrale Begriffe, ebenso in der Wirtschaftsreformbewegung Gemeinwohlökonomie.
Das beauftragte Kollektiv hat den Namen ruangrupa. ruangrupa kann aus dem Indonesischen mit „Raum der Kunst“, oder auch „Raum-Form“ übersetzt werden. Ein Spannungsfeld, in welchem sich der zentrale kuratorische Ansatz des Kollektivs bereits andeutet. Farid Rakun und Ade Darmawan … formulieren ihren dezidiert partizipativen kuratorischen Anspruch für die Weltkunstausstellung 2022: „Wir wollen eine global ausgerichtete, kooperative und interdisziplinäre Kunst- und Kulturplattform schaffen, die über die 100 Tage der documenta 15 hinaus wirksam bleibt. Unser kuratorischer Ansatz zielt auf ein anders geartetes, gemeinschaftlich ausgerichtetes Modell der Ressourcennutzung – ökonomisch, aber auch im Hinblick auf Ideen, Wissen, Programme und Innovationen. Wenn die documenta 1955 antrat, um Wunden des Krieges zu heilen, warum sollten wir nicht versuchen, mit der documenta 15 das Augenmerk auf heutige Verletzungen zu richten. Insbesondere solche, die ihren Ausgang im Kolonialismus, im Kapitalismus oder in patriarchalen Strukturen haben. Diesen möchten wir partnerschaftliche Modelle gegenüberstellen, die eine andere Sicht auf die Weltermöglichen.“
Es verspricht, ein spannender und interessanter Kunstsommer zu werden! Abzuwarten bleibt, wie und wieviele Kriterien der Gemeinwohlbilanz wie Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitentscheidung tatsächlich umgesetzt werden können. Und wieviel der Kunstmarkt davon verträgt.
„Wir sagen immer: ‚Lasst uns nicht Kunst erschaffen, sondern Freundschaften.'“ Sicher hat dazu die Tatsache bereits beigetragen, dass die immer heiß erwartete Künstler*innen-Liste dieses Mal im Kasseler Straßenmagazin Asphalt exklusiv veröffentlich wurde.
Von der Konkurrenz zur Kooperation. Kann das klappen bei solch einer Veranstaltung wie der documenta fifteen?
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