● Wohin?

Fest stand: Das ‚individuelle Wanderevent‘ sollte eine Rundtour ab Haustür sein. Aber: Wohin? Da sich unser @home im Ravensberger Land befindet, bestehen lange Wanderbeziehungen sowohl zum Teutoburger Wald als auch zum Wiehengebirge. Aktivitäten in letzterem haben uns gut durch die erste C…..-Welle gebracht: Drei Mal den Wittekindsweg auf ganzer Länge. Viel in Richtung W -> O, fehlte nur noch eine Tour S -> N, von zuhause auf den Kamm und zurück. Gedacht, geplant und LOS zum Bismarckturm und Nonnenstein!

● 2 in 1 oder 1 in 2?

Angesichts der obigen Wahrnehmung blieb ich unvermittelt stehen und gab mich lange der Frage hin: Ein Baum oder zwei? Bis hin zu philosophischen Erwägungen: Was ist nun die Wirklichkeit? Einer oder zwei? Und auch sonst? Gibt es mehrere Tatsächlichkeiten? Zum Glück klärte mich mein Waldbademeister Klaus anderntags auf. Es gibt mindestens zwei Wirklichkeiten: „Nur jetzt im unbelaubtem Zustand ist der Baum so zu erkennen. Im Sommer würde es aussehen wie EIN Baum.“

Angekommen war ich nach gut 3 mühsamen Stunden überwiegend im Regen im Kilverbachtal unweit von Haus Kilver.

Infotafel des Heimatvereins vor Haus Kilver

WHOW! Fast1200 Jahre Geschichte hier, dazu noch der doppelte/einfache Baum – diese Eindrücke ermunterten mich eindringlich, den Anstieg auf den Wiehen in Angriff zu nehmen. Auch, wenn der Höhenzug sich in dicken Wolken versteckte.

● Waldbaden

Es tropft von den Zweigen, die fast keine Blätter mehr tragen. Der Regen hat aufgehört, die fette Feuchtigkeit sitzt trotzdem überall. Schwarznasse Rinde geht abwärts über in ein frisches Grün des Mooses, das im Gegensatz steht zu dem braun-modrigen Laub auf dem Boden. Ein neu gefundener Weg oberhalb der Schichtsteinwand lässt synchron Blicke in den Nahbereich und weiter weg zu. Der sumpfig-nasse Geruch erhält durch die Frische des Wassers eine junge Tingierung; Details und Einzelheiten laden ein ein zu vertieftem Hinschauen, Hinriechen, Hinhören, … Ja, auch (etwas) Verweilen auf der langen Tour.

Was soll ich klagen über die anfänglichen Beschwerden der Unternehmung – – – hier habe ich mich gefunden nicht trotz Nässe, Niederschlag und Nieselregen, sondern mit diesen Naturerscheinungen!

Auf geht’s zur 2. Hälfte – es sind ja nur noch 26 km abwärts.

● Tongrube

Manchmal findet das Wandernavi Komoot abenteuerliche Wege, die in der Planung gar nicht so aussehen. Mein Rückweg sollte durch zwei ehemalige Tongruben bei Bünde-Ennigloh führen.

Da stehe ich nun bei einem verrosteten Raupenbagger und neben einer Planierraupe, die schon bessere Zeiten erlebt hat in der Sohle einer Grube und der einsehbare Pfad führt ins Nirgendwo. Rechterhand muss der eigentlich vorgesehene Weg sein, doch davon trennt mich eine ca. 20 Meter hohe Steilwand von Schieferton. Doch der geübte Bergsteigerblick 😳 hat eine Aufstiegsmöglichkeit entdeckt! Ein einfaches Zickzack und schon kann es oben entspannt weiter gehen.
Bereits die ersten Schritte aufwärts machen deutlich, dass es nicht so ganz einfach ist. Die Walkingstöcke versinken tief in den schmierigen und schlammigen Liasplatten, die vor rund 180 Millionen Jahren auf dem Grund eines flachen, warmen Meeres abgelagert wurden. Das interessiert mich momentan wenig, weil das Zeugs schlickig unter den Schuhen klumpt. Das Bewegungsmuster ist zwei vor, zwei abwärts. Ich strebe eine Strauchgruppe am oberen Rand an, die mehr Halt geben könnte. Doch bevor ich diese erreiche, rutsche ich noch einmal richtig ab, Schienbein angeschlagen, Hand aufgeschrammt, Hose sieht aus wie Sau. 180 Millionen Jahre – egal. Hier gibt es kein WHOW. Und als ich tatsächlich doch noch ein Stämmchen zu Greifen bekomme, bricht dieses ab und die Äste schlagen mir auf den Kopf. Wie zum Hohn fährt hinter der Erhebung ein Nahverkehrszug vorbei, als ob alles so im normalen (Fahr)Plan wäre.

Ja von wegen alles im Plan!
Wie man sieht, sieht man – nichts.

Keuchend und mit rasendem Puls erreiche ich die Abbruchkante und kann mich gerade noch so auf einen grasigen, angenehm breiten richtigen Weg rollen. 😡 Microadventure heißt so etwas meines Wissens auf neudeutsch.

● Wiesenwege

Durch die Ravensberger Mulde fließt gemächlich die durch eine Bifurkation entstandene Else.

Sie sorgt für saftige, landwirtschaftlich genutzte Wiesen, die derzeit von sehr matschigen Wegen durchzogen sind. Bestandteil meiner Schlussetappe. Manche Bewohner sind momentan trotz der aktuellen Beschränkungen verreist, andere vor Ort.

Allmählich wird es dunkler und die aufgeweichten Abschnitte werden lehmiger und noch matschiger; die Stirnlampe kommt wieder zum EInsatz. Manche Riesenpfützen, entstanden aus beidseitig überschwemmten Gräben, sind nur mit Hilfe von Stockeinsatz zu überspringen. An der Kreuzung von Hochspannungsleitungen vor Siele veranstalten hunderte Vögel (welche?) ein lautstarkes Abendkonzert.

7 km vor dem Ziel gibt es den letzten Verpflegungskick: Trauben, Traubenzucker, den restlichen, noch heißen elektrolytischen Schwarztee aus der Thermoskanne und als Spezialdoping ein Tütchen Magnesiumgranulat. Das gibt Schwung zum Anstieg nach Pödinghausen.

● Coming home for …

Nach solch einer Runde ist es wunderschön, wenn sie nach 52,5 km (Komoot) bzw. 53,6 km (Running App) wieder zuhause endet!


0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Avatar-Platzhalter

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert