Der ‚Stern‘ vom 14. 12. 17 berichtete zwei Tage nach meiner Rückkehr in einem 3 1/2 seitigen Beitrag aus Marrakesch. In den nächsten Tagen folgt hier

Mein Djema el Fna.
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Hat etwas gedauert – aber am ersten Abend des neuen Jahres 2018 geht es weiter.
Bereits beim Namen des Platzes in der einheimischen Schreibweise streiten sich die Gelehrten; ich bleibe bei der aus den Reiseführern. Also: Djema el Fna. Die Übersetzung ist noch strittiger, bei mir hat sich Hubert Fichte mit dem ‚Platz der Gehenkten‘ festgesetzt.
Der imposanteste Eindruck ist der bei Dunkelheit, wenn man von oben den PLATZ überblicken kann:
Die über 120 abendlichen Garküchen, die Händler, Gaukler, der anschließende Basar bieten ein staunenswertes Bild orientalischer oder afrikanischer Färbung.
Beim Näherkommen relativiert es sich etwas; manche kulturellen Unterschiede sind doch recht krasss:
Schafsköpfe fertig zum Verzehr gegart:
Natürlich gibt es auch etwas für den touristischen Geschmack; Fleischspiesse (brochettes), kleine Würstchen, Tomaten-Gurkensalat, gegrillte Paprika, Brot – alles sehr lecker und frisch mit Harissa:
Das Ganze aber begleitet von einer Plastikflasche Wasser — hmm.
Zudem wird man als Passant an jedem Stand animiert, das gehört zum Geschäft und das muss man akzeptieren. Hierbei können sich skurrile Situationen ergeben; werde ich aus irgendeinem einem Grund als Deutscher erkannt (woran?), lautet die sehr konkrete Anrede:“ Hallo, hier alles bio, alles regional (!), Sauerkraut!“ Wenn das nicht überzeugend ist …

Beim Weitergehen bleibe ich zunächst bei einem mir bislang unbekannten Geschicklichkeits- bzw. Gewinnspiel hängen:In einem Kreis sind Cola-, Sprite- und Fantaflaschen aufgestellt, die man sich gegen einen Obulus angeln kann. Man muss ’nur‘ einen kleinen, Donut-artigen Ring über den Flaschenhals stülpen, der an einer einer langen Angel aufgehängt ist. Der Standbetreiber führt es immer wieder erfolgreich vor, von den Zahlenden schafft es keiner. 🙁 Erinnert mich an ein ein entfernt verwandetes Kirmes-Geschicklichkeitsspiel Ende der 50er Jahre.

Am nächsten Abend das gleiche Bild: Die Garküchen qualmen in den orientalisch-afrikanischen Abendhimmel:während sich auf den umliegenden Dachterassen der Cafés
(die abends alle Restaurants sind 😉 ) die Touris drängeln. Fotosession, allerdings nur mit alkofreiem Sundowner.

Anschließend die Suche nach 1001 Nacht. – – –

Da hat doch in einem Kreis einer der Darbietenden Zauberrequisiten platziert: Ein Ring, ein Seil, eine ? Dose und sonstwas. Ich bleibe stehen. Obwohl ich nicht gesehen habe, dass er mich erfasst hat, kommt rasch die Ansage: „No Foto!“ Wohl aber das Einsammeln von Dirham, Dirham, zu dem ich auch mit einem 10er-Schein beitragen muss/darf. Dieses Moneymaking scheint für die Sprachkundigen sehr unterhaltsam zu sein und es wird immer wieder ein Betrag gegeben. Doch die Summe in der Mitte ist noch zu klein und so dauert es eine 3/4 Stunde, bis die geheimisvolle Blechdose (Lotabowl) auf Kommando Wasser sprüht. 😎
Das einträgliche und amüsante Verkaufen Können der eigenen Darbietung scheint wesentlicher Bestandteil zu sein.
Ähnlich ist es bei den Geschichtenerzählern. Ein Mitstehender antwortet auf meine Frage, was der Schildernde der Runde berichtet: „Il fait comedie!“ Ist wegen mangelndem Sprachverständnis (Arabisch, Berberisch ?) meinerseits direkt schwer verständlich, indirekt aber sehr deutlich nachzuvollziehen in der begleitenden Mimik und Gestik der gerne zahlenden Zuschauer.
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Mittlerweile ist der grün-weiße Bulli von 1970 bei den umliegenden Saftständen angekommen:
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Am Sonntagmorgen ist einer der Ersten, der seinen Stand eröffnet, ein ‚Dentist‘. Als Nachweis seiner erfolgreichen Berufstätigkeit präsentiert er zahlreiche erfolgreich gezogene Zähne: Und für die Altersvorsorge gibt es auch Gebisse zum Anprobieren:
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Soweit die beeindruckenden Stände bzw. Angebote.
Unerwähnt und ohne Foto belasse ich hier exotisches wie ‚Schlangenbeschwörer‘ (die sich mit diversen Kriechtieren aufdrängeln); ‚Berberäffchen‘, die aus unwürdigen Behältnissen dem Touri auf die Schulter gezwungen werden (sorry, eurozentrischer Blick); Hennazeichnerinnen, deren Handmuster zwei Mal brennt (beim Auftragen und nach dem langsamen Verschwinden); afrikanische Musikertruppen, die Visitenkarten verteilen; und leider auch die Artisten, die ich nur am Rande wahrgenommen habe und die von den Terassengästen des **cafés mit Nichtachtung gestraft wurden. Schande!
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So bleibt für das UNESCO-Weltkulturerbe meinerseits eine tripadvisor-Wertung:
3 von 5 Punkten.
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Wikipedia:
Der Kulturraum des Djemaa-el-Fna-Platzes wurde im Jahr 2001 als erster Ort in die neu geschaffene UNESCO-Liste der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit aufgenommen und befindet sich seit 2008 auf der Repräsentativen Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit.

In der belletristischen Literatur ist der Platz vielfältig thematisiert worden, u. a. von Elias Canetti (Die Stimmen von Marrakesch), Hubert Fichte (Der Platz der Gehenkten), Juan Goytisolo (Engel und Paria), Bodo Kirchhoff (Parlando), Christoph Leisten (Marrakesch, Djemaa el Fna) und Michael Fisch (khamsa). Juan Goytisolo, der seit langer Zeit in der Nähe des Platzes lebt und der in seinem literarischen Werk immer wieder auf dessen Phänomene Bezug nimmt, spielte auch eine entscheidende Rolle bei der Aufnahme des Platzes ins UNESCO-Weltkulturerbe.
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Am letzten Morgen, wie jeden Morgen Reinemachen:

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